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Von: Marcel Sowa
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Auch wenn ein Anstieg bei den Sexualdelikten, die „Wellen“ bei den Callcenter-Betrugsversuchen und die Cannabis-Legalisierung der Polizei Sorgen machen: Die Sicherheitslage im Berchtesgadener Land könnte kaum besser sein. Ein Blick in das Zahlenwerk für 2024 verrät, woran das liegt, welche Zahlen eingeordnet werden müssen und welche „durch die Decke gehen“.
Berchtesgadener Land - Auch 2024 warteten wieder einige Herausforderungen auf die vier Polizeiinspektionen Berchtesgaden, Bad Reichenhall, Freilassing und Laufen, Grenzpolizei Piding, Kriminalpolizei und Verkehrspolizei Traunstein sowie die Bundespolizei. Der Einblick in den Bericht zur Sicherheitslage, vorgestellt im Reichenhaller Landratsamt, macht klar: Insgesamt wurden fast 17.500 Einsätze verzeichnet. Immerhin ein kleiner Rückgang (200 weniger) im Vergleich zum Vorjahr. „Doch im Berchtesgadener Land sind zu manchen Zahlen Erklärungen notwendig“, schilderte Frank Hellwig vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd.
Der Präsident sprach von rund 700 Veranstaltungen und Versammlungen, um die sich die Beamten beratend und unterstützend kümmerten. Hellwig erinnerte an vergangene Amokfahrten, bei denen Fahrzeuge als Tatwaffe eingesetzt wurden, und meinte: „Obwohl das bei einer solchen Anzahl an Versammlung nur eine minimale Gefahr darstellt, haben diese Geschehnisse Eindruck hinterlassen und die Bevölkerung verunsichert.“
Kreative Lösungen helfen auch
Um diese Veranstaltungen abzusichern, sei die Polizei stets im Austausch mit dem Landratsamt. Und: Manchmal ist auch Kreativität gefragt, in dem zum Beispiel ortsansässige Landwirte oder Spediteure ihre Fahrzeuge zur Absicherung bereitstellen. „Das sind nicht sonderlich professionell aus, erfüllt aber seinen Zweck. Die Bürger fühlen sich sicherer und die Gefahr wird verringert“, erklärt der Präsident.
Bei der Entwicklung der Kriminalität machte Hellwig darauf aufmerksam, dass die Straftaten in mit und ohne ausländerrechtliche Verstöße unterteilt werden müssen: Aufgrund der geografischen Lage und der 140 Kilometer langen Grenze mit Salzburg wirkt sich die Arbeit der Bundes- und Grenzpolizei auf die allgemeinen Zahlen aus. Schließlich kommt es hier zu erheblich mehr illegalen Einreisen oder Aufenthalten. Bei der Gesamtzahl der Straftaten ist ein Rückgang im Vergleich zu 2023 auf 12.154 (-9,7 Prozent) zu verzeichnen.
Anstieg, aber eine wichtige Erklärung
Doch werden die ausländerrechtlichen Verstöße herausgerechnet, ist die Anzahl der Straftaten um 10,7 Prozent auf 51113 gestiegen. Doch das bedeutet nicht automatisch, dass die regionale Kriminalität gestiegen ist. Diebesgut, Zigaretten- und Waffenschmuggel, Geldwäsche, Rauschgift: Aufgrund der Arbeit der Bundes- und Grenzpolizei können etwa 1400 Delikte abgezogen werden.
Die A8 ist und bleibt eine wichtige Transitstrecke für die Kriminellen.
„Das ist keine regionale Kriminalität, sondern eine, die woanders begangen wurde oder die wir verhindert haben“, so Hellwig. Eine weitere Erklärung lieferte er gleich hinterher: Die Ost-Route sei immer noch stark frequentiert und „die A8 ist und bleib eine wichtige Transitstrecke für die Kriminellen“. Nach Abzug dieser 1400 Delikte ist festzuhalten: Das Berchtesgadener Land steht bayernweit auch im Vergleich zu anderen Landkreisen sehr gut da, meint der Präsident. „Das ist die Realität und diese wichtigen Details gilt es bei den Zahlen zu betrachten.“
„Die Entwicklung bereitet uns allen Sorgen“
Wenn insgesamt die Straftaten zurückgehen, sinkt auch die Anzahl der Tatverdächtigen: von über 11.000 (2023) auf 9700 (2024). Auch bei der Anzahl der ausländischen Tatverdächtigen machte Hellwig auf ein Detail aufmerksam: Hierzu gehören auch Verstöße, die nur Ausländer begehen können. „Deshalb ist der Anteil mit 86,8 Prozent auch so hoch, das erklärt sich aus den ausländerrechtlichen Delikten.“
Doch das große Aber: Selbst wenn diese aus den Zahlen herausgerechnet werden, bleibt immer noch ein Anteil ausländischer Tatverdächtiger von 61,4 Prozent. „Das ist immer noch hoch, vor allem mit Blick auf den Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung (18,9 Prozent). Doch damit sticht das Berchtesgadener Land nicht heraus, diesen Trend gibt es bayern- und bundesweit“, sagte Hellwig. „Die Entwicklung bereitet uns allen Sorgen und da die Werte 2023 niedriger waren, ist keine Trendumkehr zu beobachten.“ Der Anteil von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden als Tatverdächtige ist mit 28,3 Prozent nur leicht niedriger als im Vorjahr (28,9 Prozent) ausgefallen.
Arbeit der Bundes- und Grenzpolizei beeinflusst Zahlen
Auch die Aufklärungsquote muss zweigeteilt betrachtet werden: Aufgrund der Bundes- und Grenzpolizei, die in der Regel gleich vor Ort bei den Kontrollen den Straftäter im Fahrzeug ermitteln kann, liegt diese insgesamt bei 89,2 Prozent.
Das ist eine gute Botschaft und zeigt: Hier kann man sicher leben.
Die ausländerrechtlichen Delikte herausgerechnet, liegt der Wert bei 75 Prozent. „Drei von vier Straftaten im Landkreis können aufgeklärt werden. Das ist eine gute Botschaft und zeigt: Hier kann man sicher leben“, schilderte der Präsident. Im bayernweiten Vergleich stehe das BGL damit auf den Spitzenplätzen und landesweit sei die Sicherheit in Bayern deutlich höher als in anderen Bundesländern.
Ein Blick auf einzelne Themenfelder
Sein Stellvertreter Michael Siefener ging anschließend auf einige Delikte ein. Bei den Einbrüchen verharren die Zahlen auf einem niedrigen Niveau, teilte er mit und führte weiter aus: „Nach Corona sind die Werte erfreulicherweise auf diesem Level geblieben.“ Unter den 25 Wohnungseinbrüchen im Landkreis befanden sich acht erfolglose Versuche. „Wir können nur appellieren, alles abzuschließen und den Einbrechern nicht den roten Teppich auszurollen.“ Zudem machte Siefener auf die kostenlosen Beratungsmöglichkeiten aufmerksam.
Seit Jahren steigende Zahlen müssen die Einsatzkräfte bei den Sexualdelikten hinnehmen. „Das liegt hauptsächlich an der steigenden Verbreitung von pornografischen Schriften“, so Siefener. Hier wurden im Berchtesgadener Land 58 Fälle notiert, dabei ging es auch um Kinderpornografie.
„Wir befürchten, dass die Dunkelziffer riesengroß ist, und sind für jeden Hinweis dankbar.“ Insbesondere auf dem Schulhof finde eine Verbreitung dieser Schriften statt. „Wenn wir darüber informiert werden, können wir diese Medien sicherstellen, deren Weiterverbreitung verhindern und rekonstruieren, woher die Daten stammen.“ Bei den Sexualstraftaten in schwerster Ausprägung (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Übergriffe) wurden zwölf Fälle und damit ein Fall weniger verzeichnet.
Betrüger sind schwer zu fassen
„Regelrechte Wellen“ auf den Landkreis stellen die Beamten bei den Callcenter-Betrugsmaschen fest. „Die Zahlen gehen durch die Decke“, beschreibt Siefener, und bei den Versuchen dürfte die Dunkelziffer noch größer ausfallen, weil viele Fälle nicht gemeldet werden. Es „lohne“ sich für die Verbrecherbanden, die bei Technik und Personal einen großen Aufwand betreiben. Insgesamt 2,5 Millionen Euro beträgt die Schadenssumme im Bereich Oberbayern Süd, im Berchtesgadener Land waren es 380.000 Euro (sechs vollendete Fälle).
Mittlerweile lässt die Polizei Geldübergabekuverts und Bäckertüten bedrucken, um auf die Schockanrufe und Maschen der Kriminellen aufmerksam zu machen. „Hin und wieder können wir Banden festnehmen und Callcenter aufdecken, aber die Flußt reißt nicht ab. Die Drahtzieher sitzen oft im Ausland und meistens erwischen wir nur die Abholer.“
Siefeners Ratschlag, „ganz einfach heruntergebrochen“: Sowohl Staatsanwälte als auch Polizisten und Ärzte würden niemals am Telefon nach der Übergabe von Geld oder anderen Wertgegenständen verlangen.
Klare Meinung zur Cannabis-Legalisierung
Mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau bleibt die Gewaltkriminalität: Mit 143 Straftaten wurde zwar ein Höchststand seit 2014 verzeichnet, doch laut dem stellvertretenden Präsidenten lässt sich der Anstieg vor allem auf die Fälle schwere oder gefährlicher Körperverletzung zurückführen (ein Plus von 18; insgesamt 110 Fälle im BGL). 2024 gab es drei Tötungsdelikte, in zwei Fällen handelte es sich um fahrlässige Tötung. „In einem Fall ging es darum, dass jemand bei Waldarbeiten von einem Baum erschlagen wurde.“
Zur Rauschgiftkriminalität hat der Beamte auch im Namen seines Präsidiums eine deutliche Meinung: Zwar sind die Fälle nach der Cannabis-Legalisierung um etwa ein Fünftel zurückgegangen. „Doch was uns die alte Bundesregierung versprochen hat, dass die Polizei entlastet und der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird, ist leider nicht eingetroffen. Es ist eher das Gegenteil eingetreten, deshalb werben wir sehr dafür, diesen Fehler rückgängig zu machen.“
Häufig würden Dealer im Bereich der Freigrenzen handeln, „ihren eigenen Stoff verticken und dann Nachschub von Zuhause besorgen“. Doch Siefener schildert: Bei den Mengen, die sich im Umlauf befänden, könnte es sich nur um illegales Cannabis handeln.
Viele Unfälle wären „vermeidbar“
Beim Verkehr wurden 2024 insgesamt 2730 Unfälle mit 594 Verletzten und vier Toten verzeichnet. „Das sind schlimmste Schicksale“, betonte Siefener. Vieles wäre vermeidbar, wenn die Verkehrsregeln eingehalten und vor allem die Geschwindigkeiten angepasst würden. „Wir sind nicht zufrieden mit der Bilanz.“
Besonders häufig beteiligt oder sogar für die Unfälle verantwortlich sind den Zahlen zufolge vor allem junge Erwachsene, Senioren, Rad- und Motorradfahrer.
Bei den Diebstahlsdelikten sei langfristig ein Trend nach unten zu erkennen, auch wenn 2024 ein Anstieg um 9,8 Prozent registriert wurde. Hierzu gehörten schwere Fälle wie beispielsweise Einbrüche, aber auch leichtere wie Ladendiebstähle.
„Damit hätte ich nie gerechnet“
Sowohl das Führungsduo als auch Ludger Otto von der Grenzpolizei und Landrat Bernhard Kern lobten das Zusammenspiel der Behörden. „Das Sicherheitsgefühl in unserem Landkreis ist gut und positiv“, bilanzierte Kern. Vor allem die Bundespolizei mit ihren rund 300 Einsatzkräften „gibt den Bürgern Sicherheit“.
Der Landrat sprach auch die Umstrukturierung der Polizeiinspektion Laufen an und äußerte sich dankbar für den Austausch zwischen Stadt und Polizei. Dass es 2024 insgesamt über 700 Veranstaltungen und Versammlungen waren, welche die Polizisten betreuten und unterstützten, überraschte Kern sehr. „Damit hätte ich nie gerechnet, dass es so viele sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit und deshalb möchte ich mich auch im Namen der Vereine und Institutionen bedanken.“
Der ausführliche Sicherheitsbericht für den gesamten Bereich Oberbayern Süd lässt sich auf der Webseite des Polizeipräsidiums nachlesen. Die Daten zu den alpinen Einsätzen und zur Grenzpolizei werden in gesonderten Bericht veröffentlicht. (ms)
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